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  • Zwei Laubfrösche sitzen auf Schilf.

    Verlust von zwei Millionen Arten droht

    Tiere, Pflanzen, Pilze – zwei Millionen Arten sind vom Aussterben bedroht. Das zeigen neuste Forschungsergebnisse und bestätigen damit: Die Aussichten für die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten sind düster. Das sollte uns alle beunruhigen.

    Eine kürzlich im Fachjournal «Plos One» veröffentlichte Studie zum Ausmass des aktuellen Verlusts zahlreicher Arten lässt aufhorchen. Demnach sind zwei Millionen Tiere, Pflanzen, Pilze weltweit vom Aussterben bedroht. Das ist eine Verdopplung der bisher kursierenden Zahl von einer Million bedrohter Arten. Diese hatte der Weltbiodiversitätsrat IPBES 2019 verkündet, was seither als Benchmark galt.

    Inzwischen liegen neuere Daten zu bereits untersuchten Arten vor als auch Erhebungen zu bisher nicht berücksichtigten Tieren und Pflanzen. Diese fliessen ein in die Roten Listen der Internationalen Weltnaturschutzunion IUCN, der auch der Zoo Zürich angehört. Forschende haben sich nun die Roten Listen für Europa genauer angeschaut. Konkret haben sie alle 14’669 europäischen Wirbeltier-, Wirbellosen- und Pflanzenarten analysiert. Das Ergebnis: Fast ein Fünftel der europäischen Arten ist vom Aussterben bedroht – 27 Prozent der Pflanzenarten (einschliesslich aller Farne, Bäume, Wasserpflanzen und Moose), 24 Prozent der wirbellosen Tierarten (zum Beispiel alle Bienen, Schmetterlinge, Libellen und Heuschrecken) und 18 Prozent der Wirbeltierarten (Amphibien, Vögel, Fische, Säugetiere und Reptilien).

    Schmutzgeier im Zoo Zürich

    Der auch im Zoo Zürich gehaltene Schmutzgeier ist die kleinste und die am stärksten gefährdete Geierart in Europa. Tendenz weiter abnehmend. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini

    Artenvielfalt ist systemrelevant

    Es sind erschreckende Zahlen und doch sind sie nur die Spitze des Eisberges. Denn – um beim Bild vom Eisberg zu bleiben – der allergrösste Teil der Artenvielfalt ist uns weitgehend unbekannt. Eben so wie der grösste Teil des Eisberges unter Wasser liegt und nicht sichtbar ist. Schätzungsweise acht Millionen Arten gibt es auf der Erde. Weniger als zwei Millionen sind wissenschaftlich erfasst. Und nur bei etwa 150’000 Arten kennen wir den aktuellen Bedrohungszustand. Wir wissen viel zu wenig. Die Arten verschwinden schneller als wir sie erforschen können. Das tatsächliche Ausmass der aktuellen Krise der Artenvielfalt dürfte daher deutlich schlimmer sein.

    Und das sollte uns beunruhigen. Warum? Weil wir Teil des Systems sind. Auch der Mensch ist eine Art. Und noch viel wichtiger: Ohne die «anderen» gibt es auch kein «uns». Etwas greifbarer wird das vielleicht mit einem weiteren Bild: Stellen Sie sich ein riesiges, feinmaschiges Fischernetz vor – unser Gesamt-Ökosystem. Jeder Knoten im Netz ist eine Art. Und nun nehmen Sie eine Schere und schneiden nach und nach immer mehr Knoten raus. Hier verschwindet mal eine Käferart, dort mal eine Schildkrötenart, dort drüben eine Pflanzenart und mit ihr die auf sie spezialisierte Bienenart.

    Anfangs wird es kaum auffallen, dass das Netz ein paar kleine Löcher hat. Damit lässt sich immer noch fischen. Nur, mit der Zeit werden die Löcher grösser und irgendwann reisst das Netz. Das müssen wir verhindern! Ohne ein funktionierendes Netz sind wir aufgeschmissen. Fehlen die Insekten, fehlt Bestäubung und ohne die fehlt fast alles Obst und Gemüse. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Bei vielen Arten wissen wir noch gar nicht, welche Rolle sie im Kreislauf der Natur einnehmen.

    Der Goldglänzende Rosenkäfer ist eine in der Schweiz geschützte Käferart und steht auf der Roten Liste.

    Der Rosenkäfer kommt in grossen Teilen Europas vor und gilt als besonders schützenswerte Art. In der Schweiz steht er unter Naturschutz. Foto: iStock, Mantonature

    Die Studienautor*innen konnten bei ihrer Analyse vor allem auf neue Forschungsergebnisse zu Insekten zugreifen. Hier fehlten bislang umfangreiche Daten, so dass ihr Bedrohungsstatus bisher eher konservativ beurteilt wurde. 2019 hatte der Weltbiodiversitätsrat geschätzt, dass etwa zehn Prozent der Insekten weltweit vom Aussterben bedroht sind. Nun zeigt sich, es sind sehr viel mehr. Weil die Artenvielfalt bei Insekten extrem hoch ist, schnellt auch die globale Gesamtzahl vom Aussterben bedrohter Arten in die Höhe – auf neu zwei Millionen.

    Hauptursache Mensch

    Hauptursache für das immense Artensterben ist der Mensch. Wir beanspruchen immer mehr Landfläche für uns – für Landwirtschaft, für Siedlungsbau. Zahlreiche Arten verlieren ihre natürlichen Lebensräume. Wir übernutzen die natürlichen Ressourcen, beispielsweise durch Überfischung und das massive Abholzen der Regenwälder. Und wir verschmutzen die Umwelt – mit Pestiziden, Plastik, Müll.

    Zwar gibt es inzwischen umfangreiche Bemühungen, dem Artensterben entgegenzuwirken. Auf der letzten Weltbiodiversitätskonferenz in Montreal Ende 2022 hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, das vom Menschen verursachte Artensterben bis zum Jahr 2030 zu stoppen und bis 2050 die Aussterberate und das Risiko für alle Arten um das Zehnfache zu reduzieren. Doch noch reichen die Bemühungen bei weitem nicht aus. Wir alle sind gefordert, dem Sterben der Arten entgegenzuwirken. Auch der Zoo Zürich setzt sich seit vielen Jahren in verschiedenen Projekten weltweit für den Erhalt bedrohter Arten ein. 

    Zwei Laubfrösche sitzen auf Schilf.

    Der Laubfrosch ist wie fast alle Amphibien in Europa bedroht. Vor allem der Verlust ihres Lebensraums macht Frosch, Molch, Kröte und Co. zu schaffen. Foto: iStock/ Andyworks